Die Beobachtung von Sputnik 1
Das Maximum der Sonnenaktivität in den Jahren 1957 und 1958 veranlaßte die Wissenschaft, den Zeitraum zum Internationalen Geophysikalischen Jahr zu erklären. Ziel des Unternehmens war die intensive Erforschung der Wechselwirkungen zwischen dem Geschehen auf der Sonne und der Erdatmosphäre. Zuvor beteiligten sich die Rodewischer Hobbyastronomen mit einer Zeltstation am Internationalen Geophysikalischen Jahr. Auf dem Taubenberg, 2 km südlich von Rodewisch, beobachteten sie im Sommer 1957 Polarlichter und leuchtende Nachtwolken. Zur Untersuchung der hohen atmosphärischen Schichten war der Start von künstlichen Erdsatelliten vorgesehen.
Der erste, Sputnik 1, beeinflußte in entscheidender Weise die Weiterentwicklung der Rodewischer Sternwarte. Am 4.Oktober 1957 startete Sputnik 1 vom sowjetischen Kosmodrom Baikonur in der Kasachischen Steppe. Die ganze Welt erfuhr durch die Medien von diesem historischen Ereignis. Im Turmzimmer der Pestalozzischule bastelten der Lehrer Edgar Penzel und die Schüler Dieter Maeding, Diethard Ruhnow und Peter Weiß noch am gleichen Tag mit einem Globus und einem Drahtring ein Modell der Bahn von Sputnik 1 um die Erde. Daran ließ sich ablesen, dass Sputnik 1 in den Morgenstunden am Himmel über Rodewisch zu sehen sein müsse. Nach Tagen mit schlechtem Wetter klarte es in den frühen Morgenstunden des 8. Oktober auf. Pünktlich, wie selbst vorausgesagt, zog um 4.55 Uhr (MEZ) mit bloßem Auge gut sichtbar die Trägerrakete von Sputnik 1 über den Nordhimmel. Diethard Ruhnow, der das Objekt entdeckte, hielt es anfangs für ein Flugzeug. Aufgrund des Bahnverlaufes, der langen Hell- und Dunkelphasen, des schnellen und geräuschlosen Dahinziehens des Lichtpunktes, konnte es sich aber nur um den gesuchten Raumflugkörper handeln. Fassungslos schauten die Beobachter nach Osten, wo das Objekt den Blicken entschwunden war. Erst nach Minuten löste sich die Spannung. Gemeinsam wurde eine Meldung formuliert und dem Nachrichtendienst übermittelt. Bereits eine Stunde später brachte der Rundfunk die Mitteilung, dass in Rodewisch der erste Raumflugkörper gesehen worden war.
Zu den Gästen nach der erfolgreichen Beobachtung gehörte der Fachastronom Dr. Güntzel-Lingner. Er wohnte mit seiner Familie in Rodewisch und arbeitete zu der Zeit am Astrophysikalischen Institut in Potsdam.
Die Mitarbeiter der Sternwarte folgten seinem Rat und sandten die Ergebnisse der Beobachtungen an den Astronomischen Rat der Sowjetunion.
Als Antwort erhielten sie am 31. Oktober 1957 ein Telegramm aus Moskau mit Beobachtungsvorhersagen für Sputnik 1 und seiner Trägerrakete. Seit diesem Zeitpunkt gehörte die Rodewischer Sternwarte zum Internationalen Beobachtungsnetz, das die gesamte Erde umspannte.
Bis in die 80er Jahre währte die gemeinsame Tätigkeit von Lehrern und Schülern bei der Satellitenbahnvermessung. 100 000 Messungen wurden durchgeführt. Dann übernahmen große Radarsysteme und Geräte an Bord die Positionsbestimmungen.